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Buddha (Der Gestaltlose)

Michelnauer Rotlava ca 60x50x40 cm

(Die Skulptur gibt es nicht mehr. Es existiert kein Foto von ihr.)

 

Der Block aus dem Basaltlava-Steinbruch in Michelnau am Rande des Vogelsbergs in Hessen war schwer und fast einen Meter hoch. Daraus sollte meine bis dahin größte Skulptur werden.

Der Michelnauer Steinbruch ist ein beindruckender Platz. Er ist in einem Vulkankegel gelegen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Michelnauer_Tuff)

Rotlavatuff ist die versteinerte Asche eines nicht ausgebrochenen Vulkans, also der Propf, der den Vulkan am Ausbruch gehindert hat, und kommt sehr selten vor. Er hat rot-violette Farbtöne und ist von sehr unterschiedlicher Dichte.

Ich hatte mehrfach dort an Bildhauerseminaren im Steinbruch oder am Rande davon teilgenommen und den Block dort gefunden und zum Bearbeiten mitgenommen. Der Stein ist weich bis mittelhart, bearbeiten kann man ihn mit Äxten, Beilen, Feilen und natürlich Hammer und Meißel, man schleift ihn am besten mit der Hand.

Ich habe ihn auf einem Bildhauerbock fixiert und ging mit einer bestimmten Idee an ihn heran. Ich wollte in den Block eine Höhlung arbeiten, in der eine meditierende Gestalt sitzen sollte, eine Figur, die so aussehen sollte, als sei sie mit sich und der Welt im Einklang.

Mein ganzes über einige Jahre hin erworbene bildhauerische Können und Geschick sollte dahin führen, die Höhlung wie die Höhle eines Heiligen aussehen zu lassen und die Gestalt darin wie einen solchen.

Ich arbeitete ungezählte Stunden über Wochen und Monate daran – nicht jeden Tag, sondern einmal oder mehrmals die Woche. Dabei ging ich äußerst behutsam vor, denn der Stein ist nicht sehr homogen und leicht bröselig. Ich traute mich deswegen nicht, sehr in die Tiefe zu arbeiten, und wollte die Höhlung eher andeuten. Auch die Figur sollte meditative Haltungen und Gesten (oder was ich dafür hielt) nur andeuten. Man sollte sich eher in sie einfühlen, als dass sie sich aufdringlich selber sichtbar macht.Des Öfteren stellte ich mir vor, wie großartig die Skulptur am Ende aussehen und wie viel Bewunderung sie auslösen würde. Man würde sich als Bildhauer selber ein Stück unsterblich machen, sich mit dem Stein selbst  verewigen: es ist schon erstaunlich, was einem als angehendem Bildhauer alles durch den Kopf gehen kann beim Bildhauen.

Solchen Gedanken muss ich wohl nachgegangen sein, als der Stein auf dem Bock zu wanken begann und mit einem Schlag und lautem Knall auf den Boden fiel und in Stücke zerbrach.

Ich sprang instinktiv zurück, so dass mir der Stein nicht auf die Füße fiel, und konnte einen Schrei und dann die Tränen nicht zurückhalten.

Alles dahin. Die ganze Mühe vergebens. Alle Visionen mit einem Schlag zerplatzt.

 

Eine ganze Weile ging ich gar nicht in die Werkstatt. Die Enttäuschung saß zu tief.

Dann zog es mich wieder hin, und ich schaute mir die Brocken, in die der Stein zerfallen war, genauer an. Der größte davon, der etwa zwei Drittel der ursprünglichen Masse ausmachte, zog mich an. Ich legte die anderen Brocken zur Seite und begann, diesen etwas amorphen Brocken, an dem ich bereits an mehreren Stellen gearbeitet hatte, gut auf dem Bock zu fixieren und weiter zu bearbeiten.

Dieses Mal ließ ich alle Vorstellungen beiseite. Ich begann ihn vollkommen neu zu sehen und zu entdecken. Ich begann, den Stein, das Material im Moment der Bearbeitung zu sehen: wie er genau dort glitzerte, wo der Meißel auftraf; welch wunderbares kristallines Leuchten in der Struktur des Steins dort freigelegt wurde, das noch kein Mensch vor mir je gesehen hatte, eingeschlossen über Millionen von Jahren; der Klang des Schlagens beim Zusammentreffen von Eisen und Stein, der sich je nach Dichte des Steins und Stärke des Schlages veränderte; der leicht schwefelige und manchmal erdige Geruch, der beim Schleifen oder Schlagen des Steins freigesetzt wurde; der etwas bittere und erdige Geschmack des Steinstaubs auf den Lippen; das Gefühl in den Fingerkuppen oder Handflächen beim Darübergleiten. Wann immer ein Bild kam, was der Stein werden sollte, ließ ich es beiseite. Ich wollte keine Vorstellung mehr machen, was der Stein am Ende werden sollte. Ich gelangte in einen Rhythmus des Schlagens, der mich leitete. Etwas verselbständigte sich in mir. Ich setzte alles, was ich sah, hörte, roch und fühlte, in Beziehung zueinander und zum Stein. Es gab keine Trennung mehr zwischen dem was ich sah, hörte, schmeckte, roch und fühlte in Bezug auf den Stein, dem Rhythmus des Schlagens, dem Stein und mir selber. Ich arbeitete achtsam, hellwach, Gedanken-los wie in Trance.

Nach einer Weile nahm ich immer wieder Abstand und betrachtete, was entstanden war. Ich drehte den Stein, und setzte in Beziehung etwas, woran ich gearbeitet hatte mit einer Stelle oder Fläche, die noch unbearbeitet war. Ich stellte den Block auf den Kopf und sah wieder ganz andere Zusammenhänge. Nach wiederum ungezählten Stunden war der Stein vollständig und von allen Seiten von meiner Entdeckerfreude durchdrungen und ich kannte ihn in- und auswändig. Wenn ich von ihm wegging, nahm ich ihn in mir mit, und meine Phantasie und sogar meine Träume arbeiteten weiter an ihm. Als er fertig war, war er die Gestalt geworden, die ich mir anfangs in der Höhle sitzend vorgestellt hatte, aber nicht versteckt und angedeutet, sondern frei sitzend, ein feingliedriger aufrecht sitzender Buddha aus Michelnauer Rotlava.

So saß er über viele Jahre zwischen dem Kirschbaum und dem Apfelbaum (die ich für unsere beiden Söhne gepflanzt habe) im Garten unseres Hauses, bis ihn die Natur wieder zu sich zurückholte. Der Stein war so porös, dass er mit der Zeit verwitterte.

Der Buddha hat –wie man so sagt- das Zeitliche gesegnet.

 

"Alles Geschaffene ist vergänglich. Strebt weiter, bemüht Euch, unablässig achtsam zu sein." Buddha

"Ganz gleich, wie beschwerlich das Gestern war, stets kannst Du im Heute von neuem beginnen". Buddha